Wenn man sagt, man gehe zum Kuhkuscheln, stößt das nicht unbedingt immer auf Begeisterung oder Verständnis. Schließlich sind Kühe Nutztiere. Warum sollte man mit denen kuscheln? Geht das überhaupt? Ja, das geht und zwar sehr gut. Ich muss zugeben, auch ich war nicht gerade sonderlich begeistert vom “Kuhkuscheln”, aber schließlich geht es ja nicht um mich. Ich habe praktisch die Hälfte meines Kindseins auf dem Hof meiner Tante und meines Onkels verbracht. Dort gab es auch Kühe, die mich nicht gerade beeindruckt haben. Im Gegenteil, ich hatte Angst vor ihnen. Nicht etwa, weil sie böse waren, aber ich hatte es eher mit den kleinen Kälbchen als mit den großen Kühen. Und warme Milch, direkt vom Euter in die Tasse, mochte ich schon gar nicht. Bis heute nicht. Aber das ist eine andere Geschichte.
Meine Kollegin und ich fahren also bei strahlendem Sonnenschein und eisigen Temperaturen Richtung Waldbröl und denken, wie schon so oft bei unseren Fahrten durchs Bergische: “Wo sind wir hier nur gelandet? Mitten im Nirgendwo? Kommt hier noch was?” Nein, in Neuenhähnen, wo wir zum Kuhkuscheln mit Melanie Eschmann-Rosenthal und ihrer Tochter verabredet sind, kommt zwar nicht Nichts, aber sehr wenig. Nur der Hof und ein paar weitere Häuser teilen sich die weitläufige Landschaft und die erholsame Ruhe miteinander. Idyllisch und so typisch für das Landleben picken hier ein paar Hühner auf der Straße rum und zwingen uns, langsamer zu fahren. Hier fehlt nur das Schild: “Vorsicht, freilaufende Hühner und Katzen”.
Jedes Tier hat eine Chance verdient
Frau Eschmann-Rosenthal begrüßt uns herzlich. Tochter Laura ist noch mit dem Tierarzt bei einem der jungen Haflinger. Einer der jungen Haflingerhengste hatte sich vermutlich am Vorabend oder in der Nacht am Auge verletzt und musste genäht werden. Solche “Zwischenfälle” gehören zum Landleben dazu und haben vor allem anderen Vorrang, auch wenn die Presse kommt. Wir hoffen an dieser Stelle, dass die Wunde problemlos verheilt. Auch, dass ab und an mal ein Huhn vom Fuchs geholt wird, gehört zum Landleben dazu. Hauptsache die alten Hühner, die keine Eier mehr legen, kommen nicht in die Suppe. Das ist Laura, der ein großer Teil der Hühner gehören, sehr wichtig. Versucht hat sie es vor allem wegen der Wirtschaftlichkeit, aber das Herz hat gesiegt. Auch das können wir gut nachvollziehen. Meine Kollegin meinte nur dazu: “Ich esse auch nichts, was ich in die Augen geschaut habe.”
Nicht nur Kühe und Ochsen haben auf dem Hof der Eschmanns ein Heim gefunden. Neben den zehn Kühen/Ochsen lassen es sich auch Hühner, Gänse, Pferde, Katzen, Ziegen, zwei Alpakas, fünf Schafe und zwei Lämmer hier gut gehen. Ein ganz schöner Haufen Arbeit ist da jeden Tag zu bewältigen. Aber das macht die fünfköpfige Familie sehr gerne, wo im Übrigen alle mit anpacken. Auch die finanzielle Seite ist nicht außer Acht zu lassen. Noch wird das ganze hier zum größten Teil privat finanziert, denn der Hof ist kein landwirtschaftlicher Betrieb, doch das Kuhkuscheln lohnt sich. Die Einnahmen aus dem Eierverkauf machen nur einen geringen Bruchteil aus. Finanziert wird der Hof auch durch die Programmangebote und den Tierpatenschaften.
Außer den beiden Ochsen, Valentino und Bambi, sowie der Kuh Isabella, wurden fast alle Tiere gerettet oder kamen durch Zufall auf den Hof. So auch der riesige Ochse Nico. So groß wie ein Stier (mit seinen Hörnern sieht er auch so aus), aber lammfromm wie ein Schoßhündchen, versichert uns Laura. Mit ihm kann man spazieren gehen. Übrigens mit Valentino und Bambi auch, aber wenn sie merken, dass jemand sehr unsicher ist, gehen sie auch mal andere Wege als gewollt. Kuh Isabella ist zum Kuhtrekking eher geeignet. Sie ist kleiner und devot anderen Lebewesen gegenüber. Auch in der Herde ist sie die rangniedrigste und unterwirft sich. Die beiden Ochsen stehen auch für uns zum Kuscheln bereit.
Ein Bett im Kornfeld – Nein, im Stroh
Das probiert meine Kollegin direkt mal aus. Die beiden Prachtexemplare liegen bereits in der Sonne im “Kuschelpaddock”, wie ich es jetzt mal nenne. Die Kühe und Ochsen sind das ganze Jahr über auf der Weide, können sich aber in einen Offenstall zurückziehen. Melanie Eschmann Rosenthal erklärt uns, dass sie den Winter lieber mögen als den heißen Sommer, auch wenn sie natürlich die wärmenden Strahlen der Sonne sehr genießen. Sie springen gerne auch mal durch den Schnee. Da sie zu nichts gezwungen werden, sind die Tiere sehr ruhig und gelassen. Hier haben sie keinen Stress.
Isabella, Valentino und Bambi, die Kuschelkühe, sind sogenannte Jerseys. Sie kommen von der Insel Jersey und sind eigentlich eine kleinbleibende Rasse. Isabella ist auch viel kleiner als Valentino und Bambi. Und das nicht nur, weil sie erst zwei Jahre alt ist. Valentino und Bambi sind natürlich kastriert. Das hat den Hormonhaushalt etwas durcheinander gebracht und sie sind deshalb etwas größer geworden. Aber dem Wesen hat das nicht geschadet. Man muss halt nur ein wenig aufpassen, wenn sie die Liegeposition ändern wollen oder wenn sie aufstehen, dass man dann nicht gerade auf ihnen liegt. Denn der mächtige Körper braucht ein wenig Schwung, um in die Gänge zu kommen. Beim Kuscheln mit den beiden wird sehr schnell klar, wie sanft die beiden sind. Sie käuen genüsslich wieder. Der Atem geht ganz ruhig. Das tiefe Schnauben, das Wiederkäuen und der warme Körper/Fell wirken sehr beruhigend auf den eigenen Körper. Schon beim Zusehen merke ich, wie ich meine Angst vor den großen Tieren verliere und mich langsam entspanne. Auch die Hof-Hühner kommen zu uns ins warme Stroh und machen es sich gemütlich. Wie friedlich es gerade ist. Da kann man auch schon mal beim Kuhkuscheln einschlafen. Das ist wohl einem Kuhkuschler mal passiert, wie uns Melanie Eschmann-Rosenthal erzählt. Aber das ist ja irgendwie auch Sinn und Zweck der Sache. Zur Ruhe kommen, Stress ablegen und einfach mal nur die freie Zeit genießen, ohne Handy, Fernsehen oder Termine.
Viele der angebotenen Programme gehen in Richtung Therapiestunde. Die Tiere geben einem so viel von ihrer Liebe. Sie sind gute Zuhörer und geben keine Wiederworte. Wenn man ihnen seine Geheimnisse anvertraut, werden sie niemandem verraten. Menschen mit psychischen Schwierigkeiten wie Depressionen und Ängsten, Burnout, aber auch mit Autismus und weiteren Behinderungen profitieren ganz besonders von den Angeboten. Bereits jetzt arbeitet die Familie Eschmann-Rosenthal mit Betreuern und Kliniken zusammen und stellt individuelle Betreuungspläne zusammen. Veim Verlassen des Kuschelpaddocks fällt meiner Kollegin auf dass das Kuscheln einige Spuren an ihr hinterlassen hat. Nicht nur seelisch, sondern auch in Form eines schwarzen Fettfilms an den Händen. Diese Fettschicht schützt im Winter die Haut vor Kälte, Regen und Schnee und im Sommer vor der Hitze und hat nichts mit “Unreinheit” zu tun. Das sollte einem bewusst sein.
Landidylle
Natürlich sind die Tiere fremde Leute gewohnt. Das wurde ihnen von klein auf beigebracht. Die 8- und 9-jährigen Ochsen sollen noch viele Kuhkuschler zum Einschlafen bringen. Sie können bis zu 30 Jahre alt werden. Ganz so alt werden die Schafe zwar nicht, aber auch mit ihnen kann man gut kuscheln. Sie lieben die Aufmerksamkeit und lassen sich gerne streicheln. Da bin ich dann auch wieder dabei. Die sind nicht so groß, obwohl der Hammel “Nepomuk” auch schon eine beachtliche Größe hat. Die beiden Lämmer sind zwar noch etwas skeptisch unseren Streicheleinheiten gegenüber, aber ich bin mir da ziemlich sicher, dass auch sie bald Gefallen daran finden werden. Immer wieder sucht, zumindest das ältere von beiden Lämmern, unsere Aufmerksamkeit und sei es, um den Notizblock und den Stift zu untersuchen. Schließlich könnte das ja was zu fressen sein.
Wer weder Kühe noch Schafe kuscheln und streicheln möchte, darf gerne die Hühner und Gänse bei ihrem eifrigen Picken und Scharren nach Essbarem beobachten. Auch das kann ungemein beruhigend sein. Gänse sind ja nicht unbedingt bekannt dafür, dass sie nett zu Fremden sind. Also wäre es tatsächlich ratsam, diese nur zu beobachten. Auch die Alpakas mögen nicht gestreichelt werden. Eigentlich sollen Sie die Hühner vor Habichten und Füchsen schützen. Das klappt super. Sie gehen auch gerne spazieren. In naher Zukunft sollen sie die Gäste auf ihren Wanderungen begleiten. Eine Kooperation mit dem Kräutercafe von Astrid Saubert ist bereits geplant. Laura und ihre Mutter sind da ganz zuversichtlich. Wollen wir nur hoffen, dass die Alpakas bei den Kräuterwanderungen nicht die Kräuter sofort verzehren.
Und wenn es nicht klappt, ist das auch OK. Schließlich soll sich auf dem Hof jeder wohl fühlen. Egal, ob Mensch oder Tier. Der Charakter eines jeden Tieres wird hier respektiert. Und das müssen auch die Gäste, die Tiere mit Respekt behandeln und den Charakter so akzeptieren, wie er ist. Wer sich nicht daran hält, muss sich nicht wundern, wenn er beispielsweise von den Alpakas “bespuckt” wird.
So zum Beispiel können die Ziegen nicht gestreichelt werden. Sie spucken zwar nicht, aber sie zeigen einem schon, dass es ihnen nicht gefällt. Sie sind sehr misstrauisch und geräuschempfindlich. Lauten Krach und Kindergeschrei mögen sie überhaupt nicht. Aber auch das ist OK. Sie dürfen natürlich ebenfalls ihren Lebensabend auf dem “Gnadenhof” verbringen. Genauso wie Neuankömmling Clarence, der Pinto Wallach. Ebenfalls ein sanfter Riese. Er hat Arthrose und kann nicht mehr geritten werden. Er lebt erst kurz hier auf dem Hof der Eschmanns. Aber jetzt schon erkennt Laura großes Potential in ihm. Auch wenn er sich noch eingewöhnen muss, wird er vielleicht irgendwann ins Programm mit aufgenommen. Clarence bekommt die Zeit, die er braucht. Die beiden jungen Haflingerhengste, die von einem Schlachter aus Tirol gerettet wurden, sollen irgendwann eingeritten werden. Auch die beiden sollen erstmal im Leben und auf dem Hof ankommen. Dann gibt es noch Moritz, das kleine Shetlandpony. Er ist schon 30 Jahre alt und darf ebenfalls seinen Lebensabend hier in Ruhe genießen.
Kuhkuscheln – Wie kommt man auf die Idee?
Diese Frage stelle ich Melanie Eschmann-Rosenthal und Laura natürlich auch. Daraufhin erklärten mir die beiden, dass eigentlich eine traurige Geschichte dahinter steckt. Die Familie nahm ein Kalb bei sich auf, welches die Hinterbeine nicht bewegen konnte. Dieses Kalb nannten sie Sissy. Die Familie fand auch eine Physiotherapeutin, die sich der kleinen Kuh annahm. Das Therapieprogramm schien Erfolg zu haben, doch leider erkrankte die Kuh an einem Virus und starb. Als die Familie Abschied von Sissy nahm, kam die Idee. Die Taten folgten prompt.
Der Wolf und das liebe Vieh
Auch das Thema Wolf ist ein Thema bei unserem Besuch. Schließlich leben die Tiere der Eschmanns meist draußen. Die Schafe werden am Abend rein geholt. Hühner und Gänse natürlich auch. Gerade auch aus diesem Grund. In der Nachbarschaft sind schon Tiere vom Wolf gerissen worden. Doch die Bürokratie, um das Tier ersetzt zu bekommen, ist, wie alles in Deutschland, sehr schwierig. Aber die Liebe zu allen Tieren lässt den Frust darüber in Grenzen halten. Es hat sich wohl eine Wölfin im Nahbereich angesiedelt. Doch auch Frau Eschmann-Rosenthal weiß, dass Wölfe sich nicht von Obst und Gemüse ernähren können. Es ist eine schwierige Situation. Das Land stellt zwar Zäune zur Verfügung, doch jeder weiß dass das einen hungrigen Wolf nicht wirklich auf Dauer aufhält. In der Nachbarschaft wurden Herdenschutzhunde angeschafft, doch das nächtliche Gebell störte die Nachbarn. Nun wird wohl überlegt, die Hunde wieder abzuschaffen. Man dreht sich im Kreis. Fakt ist, die Grundfläche ist zu klein, um Wölfe “artgerecht” anzusiedeln, sodass jeder zufrieden ist. Die Besiedlung ist zu dicht für die Fläche, die ein Wolf durchläuft. Ein Wolfsrevier ist ca. 200 km2 groß. Zwar ernähren sich die Wölfe in Deutschland zu über 80 Prozent von Wildschweinen, Rothirschen und vor allem von Rehen, während von Weiden gerissene Nutztiere nur rund ein Prozent ihrer Nahrung ausmachen, dennoch ist unverkennbar, dass die Schäden, die Wölfe an Nutztieren anrichten, von Jahr zu Jahr deutlich zunehmen. Wenn der Wolf in freier Natur ein Reh reißt, rennt der Rest der Herde weg. Die Schafherde ist eingezäunt und kann nicht weg. Das hat zur Folge, dass mehrere Tiere gerissen werden, aber nur eines wird gefressen. Und der Wolf kehrt natürlich immer wieder an den Ort zurück, wo er zuvor Glück gehabt hat.
Bisher sind die Tiere der Eschmanns verschont geblieben. Und das soll auch in Zukunft so bleiben. Dass der Habicht und der Fuchs sich ab und an ein Hühnchen holen, reicht eigentlich schon. Doch letztendlich ist das etwas, das man ebenfalls akzeptieren muss, wenn man auf dem Land Hühner hält.
Kuhkuscheln ist viel mehr als nur eine Therapie
Ein großer Traum der Eschmanns ist es, aus dem Hof einen Therapiehof zu machen. Auch wenn Sie von vielen süffisant belächelt worden sind mit ihrer Idee des Kuhkuschelns, gibt die Familie nicht auf. Vielleicht steht schon bald ein Wohnwagen auf der Kuhwiese, für Ruhesuchende, die ein paar Tage im Einklang mit der Natur leben möchten. Mit nicht mehr als mit Vogelgezwitscher in den Ohren und mit Sonnenstrahlen im Gesicht aufzuwachen. Back to the roots. Ohne Schnick Schnack. Denn hier draußen gibt es fließend (kaltes) Wasser und Strom zwar im Haus, das darf aber nicht als Ferienunterkunft vermietet werden. Das Haus entspricht nicht den Standarts einer Ferienwohnung und müsste für viel Geld saniert werden. Zu teuer. Also müssen andere Lösungen her. Ein Wohn- oder Schäferwagen wäre dabei eine sehr gute Lösung. Hardcore Camper können ja das Zelt nehmen. Ein Schlaffass, wie es eines auf dem Campingplatz in Lindlar gibt, wäre sicherlich auch eine coole Lösung. Wir wünschen der Familie Eschmann-Rosenthal auf jeden Fall viel Erfolg bei ihrem weiteren Vorhaben.
Und wenn auch Sie einmal mit Kühen kuscheln wollen, mit Schafen oder beim Kuhtrekking mitgehen möchten, dann melden Sie sich gerne bei:
Familie Melanie Eschmann-Rosenthal
Am Kappenufer 11
51588 Nümbrecht-Berkenroth
E-Mail: uwe.eschmann@gmx.de
Telefon: 0157-86917809
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